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Wer sind sie denn? Doch nicht schon wieder so ein neugieriger Fan der mich mit Fragen belästigen will?

Wie kommen sie überhaupt hier rein? Ach ist doch egal. Sie scheinen ja ganz nett zu sein. Wenn sie schon mal da sind. Kommen sie rein, dann zeige ich ihnen meine ganz klitzekleine Villa. Sie hat nur sechs Bäder, acht Schlafzimmer und ein kleines Tonstudio, aber ist ja auch nur mein Zweitwohnsitz.

"Siebzehn Jahr, blondes Haar…" Ach, das waren noch Hits. Dreißig Jahre ist es her, dass ich unsere Gaststätte zum Kochen brachte. Jeden Ton habe ich getroffen und am Höhepunkt meiner Karriere durfte ich sogar Autogrammkarten verteilen.

„Anja, Du bist die Größte“ sagten Sie zu mir, doch das Schicksal hat es nicht gut mit mir gemeint. Ich wusste natürlich, dass Ruhm nicht ewig hält, aber ein bisschen länger hätte ich das Business schon noch gern genossen.

"In einem unbekannten Land, vor gar nicht allzu langer Zeit, war eine Biene sehr bekannt…" fährt es mir gerade wieder durch den Kopf. Ich muss abschalten von diesem ewigen Gesumse. Meine Zeit ist vorbei. Traurig aber wahr. Die Gaststätte hat längst geschlossen und meine Hits werden nur noch ab vier Promille auf irgendwelchen Jahrmärkten oder Mallorca Festen gegrölt.

Die tolle Mucke wurde zur coolen Musik und schließlich zu geilen Beats. Auf ein Wort von mir würde in der heutigen Musikzeit fünf Mal unz, unz, unz, unz, unz folgen. Darauf habe ich keine Lust.

Da sitze ich doch lieber in einem 20 m²-Mietzimmer und bemitleide mich selbst. Nebenbei sehe ich irgendwelchen unorganisierten Leuten beim auswandern zu, bevor der Schuldnerberater meinen Frust komplett macht.

Mein Mann ist weggelaufen. Dabei war er doch mein größter Fan?! "Maja, Maja" spukt es schon wieder in meinem Kopf herum.

Ich kann ja nicht einmal einen guten Technohit schreiben, da dieser zumeist nur aus drei Worten besteht. Den Rest macht die Musik. Oder wie man dieses Getöse auch immer nennen mag.

Jetzt gleich raffe ich mich nochmals auf und gehe in eine Karaokebar. Ich hatte Karten gewonnen, bei einer meiner zahlreichen, täglichen Gewinnspielteilnahmen. Wäre doch gelacht, wenn ich diesen Möchtegernkünstlerinnen nicht mal zeigen könnte was ein echte Musikerin ist.

Ich mache mich auf den Weg. Alles ist anders geworden im Laufe der Zeit. Aus der Bar kommt mir kein Zigarettenrauch entgegen und die Leute scheinen durchwegs nüchtern zu sein. Viele junge Leute sind dabei und begrüßen mich herzlich.

Meine Stimmung steigt. Habe ich mich tatsächlich in der neuen Generation geirrt. Man sieht so viel im Fernsehen und doch sollte man sich immer ein eigenes Bild von jedem Vorurteil machen.

Ich stelle mich den Leuten vor und alle finden es unglaublich „heiß“, dass ich mit meinen fast siebzig Jahren noch so ein „Event“ besuche. Sie schreien jetzt auf einmal meinen Namen und klatschen dabei: „Anja, Anja, Anja!“

Ich fühle mich plötzlich in meine Jugend zurückversetzt. Mein Gott, was habe ich die ganzen Jahre über in meiner Bude verpasst. Es ist wieder da, das Gefühl ein Star zu sein. Ich laufe rot an und springe ungewohnt spritzig auf die Tribüne. Ich reiße das Mikrophon an mich und trällere einfach drauf los:

„Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund…“
Die jungen Leute ahmen einen Vogel nach und ich singe mich in einen Rausch. Keiner stürmt mehr auf die Bühne. Jeder will mir nur noch zuhören.

Gegen Mitternacht ist meine Show vorbei. Vollkommen beflügelt schmeiße ich mich im Rausch der Sinne auf`s Bett.

Hach jetzt habe ich aber laut vor mich hin geträumt. Ich hoffe ich habe sie nicht zu sehr damit gelangweilt.


Wissen sie was. Ich beschließe fortan wieder raus zu gehen. Leute kennen lernen und die Welt erforschen muss mein Ziel sein. Jeder Tag ist kostbar und keinen werde ich mehr daheim verbringen. Ich fange gleich damit an.
Auf Wiedersehen!

  • Geschrieben von: Michael Pohl
  • Gesprochen von: Tabitha Hammer
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