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Da ist ja schon wieder neuer Besuch in meiner Höhle. Und schon wieder so ein riesiger Mensch.

Man muss ich ein Mann sein das mich so viele Leute hier besuchen. Aber was rede ich da, natürlich bin ich ein echt großartiger Mann. Ich habe Arme wie Arnold Schwarzenegger und dazu den Grips von Bill Gates. Die Frauen fallen reihenweise in Ohnmacht, wenn sie mein Gesicht sehen, denn schön bin ich auch noch. Im Chat bin ich der Klick Nr. 1 und mein Terminplan quillt förmlich über mit heißen Treffs. Ach, wie perfekt könnte meine Welt sein.

Leider nützt mir meine Figur nur selten etwas und die heißen Treffs sind auch nach einigen Minuten wieder beendet. Meine optische Größe hat sich nämlich nicht in der Körperlichen niedergeschlagen. Ich messe nur 1,25 m, was für einen Mann mit meinen Ansprüchen eine echte Katastrophe ist.

Fast jede Frau kann mir auf den Kopf spucken und die Vorstellung meiner Nacktheit lässt sie leider auch minimalistisch denken. Dabei bin ich nicht von allen Seiten klein anzusehen, aber dies nur am Rande.

Frauen möchten nicht mit mir Händchen halten, sondern mich hilfsbereit an der Hand nehmen. Sie finden mich niedlich, aber nicht erotisch. Was für eine Ungerechtigkeit.

Auch der Alltag hat seine stetigen Tücken. Bei der LaOla-Welle denkt jeder ich würde trotz aller Bemühungen nicht mitmachen. Dabei stehe ich doch und mache voll Freude mit. Vom Spiel sehe ich ohnehin nur wenig. Auch als Kind war ich immer der Kleinste und blöde Sprüche stehen bis zum heutigen Zeitpunkt auf der Tagesordnung. Solche wie „Hat man dich als Kind nicht richtig gegossen“ oder „keine Sorge, bestimmt wirst du mal ein ganz Großer“ lassen mir das Blut in den Adern gefrieren.

Bei jeder Dorfveranstaltung muss das Mikrofon für mich kleiner geschraubt werden und im Lebensmittelmarkt muss ich mir von einem normal großen Menschen die Schokoladenriesen reichen lassen. Was für eine Ironie. Dabei esse ich wie in der Werbung den ersten immer sofort. Mancher Schäferhund begegnet mir auf Augenhöhe und scheint die Überlegenheit auszukosten.

Doch jede Situation hat zwei Seiten. Ein wenig profitiere ich auch von meinem Unglück. So spare ich mir viel Geld, wenn der Kleinwagen mir ähnlich komfortabel erscheint, wie für einen Riesen die Limousine. Ich wurde ausgemustert und konnte mehr Geld verdienen, als viele andere.

Ich komme ins kleinste Gebüsch und kann dort den Ball holen, wo andere längst schon aufgegeben haben. Jeden Regentropfen spüre ich erst viel später als meine großen Freunde. Ich sehe zwanzig Jahre jünger aus und konnte selbst nach fünf Jahren Berufstätigkeit immer noch als Schüler die Kinokassen passieren und keiner fragt mich nach dem Ausweis.

Alkohol darf ich zwar immer noch nicht kaufen, dafür bekomme ich im Gegenzug auch keine Zigaretten ausgehändigt, was meiner Gesundheit außerordentlich gut tut. Mein Verbandskasten im Auto muss immer aktuell sein, denn bei jeder zweiten Fahrt werde ich auf Tauglichkeit kontrolliert. Ich bin dann ganz unruhig und reibe mir auf meinem zur Erhöhung gekauften Sitzkissen meinen knackigen Hintern wund.

Bleibt festzustellen, dass ich mich mit meiner Situation abgefunden habe. So bleibt mein Gesicht frei von irgendwelchen Beulen, nur weil ich den Türrahmen nicht gesehen habe. Ich passe hervorragend in jeden Kinderbob und kann mir immer das billigere 26-Zoll-Fahrrad kaufen.

Was habe ich für ein tolles Leben. Nicht auszudenken, wenn ich größer wäre.

So jetzt muss ich aber gehen, weil ich noch meine Freunde besuchen will. Sie wissen schon. Die sechs Anderen hinter den sieben Bergen.

  • Geschrieben von: Michael Pohl
  • Gesprochen von: Sylvester Beck
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